In unserem Newsblog finden Sie Blogbeiträge rund um das Thema Demografie in der Arbeitswelt sowie Veranstaltungstipps und Nachberichte eigener Veranstaltungen zum Stöbern. © Modrow
Wie gelingt es Unternehmen, Menschen mit Behinderung zu gewinnen und langfristig für eine Stelle zu begeistern? Ein vielversprechender Ansatz ist das Job Carving. Zum einen können Unternehmen damit für bestimmte Tätigkeiten eine neue Bewerbergruppe erschließen und Diversity im Unternehmen vorantreiben. Und zum anderen können sie Arbeitsstellen mit Job Carving attraktiver gestalten und so Personal halten. Im 8. Forum Inklusion vermittelte Autor und Coach Christian Thiele, wie die Motivation von Mitarbeitenden durch Anpassung ihrer Aufgaben gesteigert werden kann. Dass Job Carving inklusive Personalgewinnung ermöglicht, belegte das Praxisbeispiel der Klinik Gastronomie Eppendorf.
Am 11. Deutschen Diversity-Tag zeigten viele Unternehmen Flagge für Vielfalt. Die KWB veranstaltete an diesem Tag im Rahmen von ddn Hamburg das Forum Inklusion. "Denn Behinderung darf bei Diversity nicht vernachlässigt werden", so der Veranstalter des Forums, Dr. Oliver Borszik. Eine Blitzumfrage zeigte, dass auch erst 14 Prozent der Teilnehmenden schon Erfahrung mit inklusiver Personalgewinnung hatten. Die rege Teilnahme zeigte aber das große Interesse an dem Thema.
Mit Job Carving lernten die Teilnehmenden einen Ansatz kennen, bei dem nicht ein Mensch für eine fest umrissene Stelle gesucht, sondern eine Stelle auf die individuellen Fähigkeiten eines Menschen angepasst wird. "Es geht darum, Aufgaben im Unternehmen umzuschichten und so auf die Fähigkeiten von Personen mit Behinderung zurecht zu schneidern", erläuterte Borszik. Das kann das Aufgabenfeld, die Arbeitszeiten und -dauer und die individuellen Umsetzungsmöglichkeiten betreffen. Auch der Begriff Job Crafting taucht im Zusammenhang mit der Anpassung der Arbeit auf. "Hierbei initiieren nicht die Führungskräfte die Anpassung, sondern die Beschäftigten selbst optimieren ihr Aufgabenspektrum individuell. Auf eher informelle Weise verändern sie gewisse Aspekte ihrer Arbeit, um sie besser an ihre Wünsche, Bedürfnisse, Interessen und Fähigkeiten anzupassen", erklärte er. "Dabei können neue Aufgabengebiete für Menschen mit Behinderung entstehen."
Beide Ansätze bieten nicht nur Menschen mit Behinderung eine Perspektive, sondern wirken sich auch positiv auf das Unternehmen und die Belegschaft aus. Durch die Umschichtung erhält das Fachpersonal mehr Raum für die Kerntätigkeiten. Die Motivation und die Effizienz steigen. "Zudem können die Ansätze die Unternehmenskultur maßgeblich bereichern und dabei helfen, neue Mitarbeitende zu gewinnen und besser zu binden", so Borszik.
Der Impuls von Autor und Führungskräfte-Coach Christian Thiele führte die Teilnehmenden weiter in die positive Psychologie ein. "Führungskräften und HR-Verantwortliche haben das Job Crafting noch zu wenig auf dem Radar“, stellte er fest. "Dabei liegt es bei dem aktuellen Bewerbermarkt doch nahe, die Mitarbeitenden dort einzusetzen, wo sie performen und sich wohlfühlen." Thiele verwies auf die Macht der kleinen Schritte: Schon 10 Prozent Anpassung der Aufgaben an die Vorlieben eines Mitarbeitenden, lösen eine stärkere Bindung an das Unternehmen aus und motivieren die Person zu höherer Leistung.
Wie so eine Anpassung erfolgen kann, spielte Christian Thiele mit dem Aufgabenspektrum von Dr. Borszik durch. Zehn seiner Tätigkeiten verteilte Oliver Borszik auf einer Matrix mit den Polen "häufig" und "selten" sowie "energieraubend" und "energiegebend". So filterten sie gemeinsam heraus, welche Aufgaben er im Arbeitsalltag möglichst ausbauen und welche er reduzieren sollte. Gerade zeit- und energieraubende Aufgaben, für die es eigentlich nicht einer Fachqualifizierung bedarf, bilden eine große Chance für Inklusion in Unternehmen.
Die Klinik Gastronomie Eppendorf (KGE), einer Tochtergesellschaft des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), hat diese Chance genutzt und unter enger Zusammenarbeit mit der Hamburger Arbeitsassistenz inzwischen 18 Mitarbeitende mit einer Behinderung angestellt. "Die neuen Kollegen und Kolleginnen entlasten unsere Versorgungsassistenzen, indem sie zeitintensive Aufgaben wie das Wasser-Abfüllen und die Bearbeitung des Geschirrrücklaufs übernehmen", berichtet Corinna Thomä, die damals als Personalreferentin der KGE die Initiative ergriffen hatte. Holger Niedermann, der den Einsatz von Seiten der Hamburger Arbeitsassistenz leitet, schaut sehr zufrieden auf den Anbahnungsprozess zurück. "Wenn ein Unternehmen eine 'Yes, we can!'-Mentalität und den Willen zur Inklusion hat, dann entwickelt sich schnell ein positiver Drive", erklärte er.
Maßgeblich für den Erfolg ist auch, dass die Belegschaft mitzieht. "Die Arbeitsentlastung durch die Unterstützung der Mitarbeitenden mit Behinderung hat sich schnell in unseren anderen Küchen rumgesprochen und eine positive Wahrnehmung erzeugt", berichtete Thomä. "Außerdem sind wir von der Hamburg Arbeitsassistenz auch immer ansprechbar und häufig vor Ort, um den Arbeitsprozess zu begleiten", ergänzte Niedermann. Die Arbeitsassistenzen bauen gegenseitige Berührungsängste ab, übernehmen die Einarbeitung, moderieren ggf. bei Herausforderungen und geben allen Beteiligten Sicherheit.
Auf die Frage eines Teilnehmers, welche Kosten den Unternehmen entstehen, antwortete Marie-Theres Löring, Koordination und Arbeitsassistentin bei der Hamburger Arbeitsassistenz: "Außer den Lohnkosten, entstehen den Arbeitgebenden keine zusätzlichen Kosten. Der Gesetzgeber unterstützt diese Maßnahme für alle Menschen, die auch einen Anspruch auf einen Platz in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung hätten. Finanziert wird die Begleitung hauptsächlich über das 'Budget für Arbeit'“, erläuterte sie. Über das Budget für Arbeit gibt es zudem unbefristete Lohnkostenzuschüsse.
Das Praxisbeispiel verdeutlichte sehr eindrücklich, was für ein Gewinn inklusive Personalgewinnung für alle Beteiligten sein kann. Dr. Borszik wand sich anschließend mit einem Appell an die teilnehmenden Unternehmensvertreter/-innen. Er ermutigte sie, auch inklusive Ausbildung in den Blick zu nehmen. Denn viele Menschen mit Behinderung würden sich das zutrauen, aber haben auf dem Ausbildungsmarkt kaum eine Chance.
Jutta Spormann-Becker, Vertreterin der Hamburger Sozialbehörde, die das Forum Inklusion finanziert, freute sich über die zahlreichen Teilnehmenden und unterstütze den Appell, auch inklusive Ausbildung in Unternehmen zu ermöglichen.
Der zweite Teil des Themas "Inklusive Personalgewinnung" im Rahmen des Forums Inklusion findet im Herbst statt. Registrieren Sie sich jetzt bei ddn Hamburg, um diese und weitere Einladungen zu erhalten.
Christian Thiele,
Führungskräfte-Coach und Autor:
kontakt@positiv-fuehren.com
Marie-Theres Löring,
Koordination und Arbeitsassistentin bei der Hamburger Arbeitsassistenz:
loering@hamburger-arbeitsassistenz.de
Holger Niedermann,
Arbeitsassistent bei der Hamburger Arbeitsassistenz:
niedermann@hamburger-arbeitsassistenz.de
Corinna Thomä,
Projektkoordinatorin MT – Ausbildung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf:
c.thomae@uke.de
Weiterführende Quellen und interessante Fakten zum Thema inklusive Personalgewinnung finden Sie hier:
Shownotes zum 8. Forum Inklusion (PDF)
Dr. Oliver Borszik
KWB e. V./ddn Hamburg
Tel.: 040 334241 336
oliver.borszik@kwb.de
Personalverantwortliche und Führungskräfte können durch die Rekrutierung und Einstellung von Menschen mit einer Behinderung neue Potenziale erschließen. Wenn Unternehmen inklusionsfreundliche Rahmenbedingungen schaffen, erhalten sie die Arbeitsfähigkeit von allen Mitarbeitenden besser und fördern eine nachhaltige Bindung. Im Forum Inklusion setzen wir Impulse für Arbeitsmarktinklusion im Rahmen einer Diversity Strategie und bieten eine Austauschplattform für Unternehmen mit Inklusionsambitionen.