Sie haben eine unserer Veranstaltungen verpasst oder möchten Informationen zu einer besuchten Veranstaltung nachlesen? Hier dokumentieren wir die Fachforen und Arbeitskreise für Sie.
Der deutschen Wirtschaft gehen die Fachkräfte aus. Auch wenn der Mangel nicht flächendeckend auftritt und je nach Branche variiert, finden Unternehmen oft keine passgenau qualifizierten Bewerber/-innen und können freie Stellen erst nach längerer Vakanz besetzen.
Anlass genug für das Demographie Netzwerk e. V. (ddn e. V.) und dessen regionalen Partner Demographie Netzwerk Hamburg (ddn Hamburg) Akteure aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Unternehmen am 18.09. 2019 im Haus der Wirtschaft in Hamburg an einen Tisch zu holen und gemeinsam Lösungen aufzuzeigen.
Wie KMU Fachkräfte halten und gewinnen
In ihrer hervorragenden Keynote zeigte Sibylle Stippler die aktuelle Fachkräftesituation auf und inspirierte die Unternehmensvertreter/-innen mit praxisnahen Vorschlägen, wie sie trotz Fachkräftemangel Mitarbeiter/-innen finden könnten. „Das Finden und Binden qualifizierter Mitarbeiter/-innen ist für Unternehmen zu einem strategischen Erfolgsfaktor geworden, sagte Sibylle Stippler. Sie erforscht im Projekt ‚Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA)‘ des Instituts der deutschen Wirtschaft (iw) Wege zur Fachkräftesicherung in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).
Die Beschäftigungssituation erfordere eine stärkere Berücksichtigung der Mitarbeiterbedürfnisse. Ein gutes Unternehmensklima stehe für die Beschäftigten in vielen Umfragen an erster Stelle. Es lohne sich deshalb, die Personalarbeit darauf auszurichten, z. B. durch angepasste Rahmenbedingungen, Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Lebens- und Erwerbsphasen oder durch Angebote zur Weiterbildung. Wichtig sei es auch, Sichtbarkeit zu erhöhen und sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren. Ein gutes Employer Branding wurde in einer Befragung des iw als erfolgreichste Rekrutierungsmaßnahme genannt.
Im Interview mit Susanne Sabisch-Schellhas, ddn Hamburg, fasst Sibylle Stippler die wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche Fachkräftegewinnung zusammen.
OECD Studie zeigt Handlungsbedarf auf
Ein hochkarätig besetztes Interview-Panel leitete die Diskussion über Strategien gegen den Fachkräftemangel ein. Es zeigte sich eine unterschiedliche Einschätzung, wie stark Hamburg vom Fachkräftemangel betroffen wäre. „Aus Perspektive des Bundes steht Hamburg auf der Sonnenseite in punkto Fachkräfteversorgung“, stellte Dr. Katrin Cholotta, Stellv. Referatsleiterin für Grundsatzfragen der Arbeitspolitik und der Arbeitskräftesicherung im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, fest. Wie das Bundesministerium die politischen Rahmenbedingungen darauf ausrichtet, dem Fachkräftemangel zu begegnen, erläutert sie im Interview mit Susanne Sabisch-Schellhas.
Besteht also in Hamburg kein Handlungsbedarf?
Michael Thomas Fröhlich, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein (UV Nord) sieht keinen Grund, sich auszuruhen. Er berief sich auf eine aktuelle Studie der OECD, die der Metropolregion einen Mangel an Fachkräften, an Innovationen sowie an hohen Bildungsabschlüssen bescheinigt. Fröhlich gestand Versäumnisse ein, insbesondere was die Unterstützung für den Mittelstand und für problematische Branchen wie Handwerk, Pflege und IT angehe. Die Entwicklung vorhandener Mitarbeiter/-innen durch Qualifizierung und Weiterbildung gelte es voranzutreiben. Zuwanderung könne nur punktuell für Entlastung sorgen, und dann sei es oft ein langer Weg, bis diese Fachkräfte zur Verfügung ständen. Dafür biete der Bund mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz, der nationalen Weiterbildungsstrategie und dem Qualifizierungschancengesetz die gesetzlichen Grundlagen, so Dr. Cholotta. Sie sprach von einem Fachkräfteparadox, denn die vorhandenen Potenziale würden sich nicht mit dem konkreten Bedarf der Unternehmen decken. Weiterhin hielte sie eine neue Weiterbildungskultur für notwendig.
Hamburger Strategien gegen den Fachkräftemangel
Es sei eine große Aufgabe, diese Forderungen operativ umzusetzen, erläuterte Martin Weber, Abteilungsleiter Arbeitsmarktpolitik in der Hamburger Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI). Die Stadt habe bereits im Jahr 2012 eine Fachkräftestrategie entwickelt und ein Fachkräftenetzwerk geschaffen, in dem alle Behörden und Instanzen gemeinsam an Programmen und Maßnahmen arbeiten. Finanzielle Mittel von Hamburger Ministerien, vom Bund und aus dem Europäischen Sozialfonds ständen zur Verfügung.
Die Förderung fließe beispielsweise in die Netzwerkstelle des Demographie Netzwerkes Hamburg, fügte Martina Schmeink, Geschäftsführender Vorstand des überregionalen ddn-Unternehmensverbundes, hinzu und bedankte sich ganz herzlich für diese Unterstützung. Der Fach- und Erfahrungsaustausch in den Handlungsfeldern Gesundheit, Qualifizierung und Wissensmanagement, Strategische Personalplanung, Employer Branding und New Work trage dazu bei, Unternehmen bei der Gestaltung des demographischen Wandels zu unterstützen.
Wie stark der Fachkräftemangel in Unternehmen und Behörden bereits zu spüren ist, zeigten sieben Referenten/-innen aus dem Hamburger Netzwerk auf. Ihre Impulse in den Foren eins und zwei leiteten den anschließenden Erfahrungsaustausch mit den Teilnehmenden ein.
Erfolgreiche Ansätze aus der Praxis für die Praxis
Forum 1 | Fachkräftesicherung im öffentlichen Dienst
Im Interview erläutert Carsten Köppl, Next:Public GmbH, wie der öffentliche Dienst junge Mitarbeiter/-innen für sich gewinnen kann.
Björn Bohusch, Great Place to Work, plädiert im Interview für mehr Mut und Kreativität bei der Gestaltung der Arbeitsplatzkultur.
Forum 2 | Fachkräftesicherung in Unternehmen
Zwei Branchen sind vom Fachkräftemangel besonders betroffen: der Pflege- und der IT-Bereich.
Jürgen Heinisch berichtet im Interview, wie es dem ELIM Seniorencentrum Eppendorf als kleiner Pflegeeinrichtung gelingt, die benötigten Fachkräfte zu gewinnen und zu halten.
Im Wettbewerb um Mitarbeiter/-innen im IT-Bereich setzt Olaf Güllich, FORTIS IT-Services GmbH, auf agile Strukturen und Empowerment. Worauf es dabei ankommt, beschreibt er im Interview mit Susanne Sabisch-Schellhas.
Weiterbildung stärkt die Mitarbeiterbindung
Im Anschluss an die Praxisforen griff Annabelle Luther, Senior Programme Manager Executive Education bei der HSBA Hamburg School of Business Administration, das schon mehrfach in den Beiträgen erwähnte Thema der Mitarbeiterqualifizierung auf.
Der Weiterbildungsbedarf und die Führungskultur waren in der Befragung der Teilnehmenden vor Ort unter den wichtigsten Herausforderungen in der Personalentwicklung. Bedarf sahen sie insbesondere bei den Themen Digitalisierung, Leadership sowie Transformation und Change.
Hinderlich bei der Umsetzung sind die Faktoren Kosten und Zeit. Dennoch bleibt eine Investition in Weiterbildung alternativlos, denn qualifizierte Mitarbeiter /-innen sind motivierter und leistungsfähiger. Berufliche Perspektiven verstärken außerdem die Bindung an den Arbeitgeber. Damit wird der Abwanderung von Fachpersonal entgegengewirkt, wichtige Kompetenzen bleiben im Unternehmen und hohe Personalbeschaffungskosten werden vermieden. Erfolgreiche Rekrutierung gelinge in den befragten Unternehmen am besten über Empfehlungen, gefolgt von der Präsentation auf Messen, Stellenbörsen und in den Social Media.
Die Schlussabfrage aus den Impulsen der Fachtagung brachte die Erkenntnis, dass sich die meisten Unternehmen und Verwaltungen mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sehen. Diversity Management kommt bei der Implementierung einer wertschätzenden Unternehmenskultur – sowie auch als Motor für Innovationen - eine zentrale Bedeutung zu. Das Demographie Netzwerk Hamburg wird den Austausch zu den Themen dieser Tagung im kommenden Jahr fortsetzen.
Alle Präsentationen zum Download:
Keynote "Wie Unternehmen trotz Fachkräftemangel Mitarbeiter/-innen finden", Sibylle Stippler, Institut der deutschen Wirtschaft
Forum 1 Fachkräftesicherung im öffentlichen Dienst
"Start beim Staat – Nachwuchsbarometer öffentlicher Dienst", Carsten Köppl, Next:Public GmbH
"Attraktiver Arbeitgeber Kommune – Best-Practice-Beispiele und Erfolgsfaktoren öffentlicher Einrichtungen", Björn Bohusch, Great Place to Work
"Führung in der digitalisierten öffentlichen Verwaltung", Steffen Gabriel, wmp consult & Ursula Danzer, Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration
Forum 2 Fachkräftesicherung in Unternehmen
"Black Box Mittelstand geöffnet! – Erfolgsfaktoren mittelgroßer Unternehmen", Martina Schmeink, Das Demographie Netzwerk ddn e. V.
"Personalknappheit in der Pflege? Praxistipps zum Finden und Binden von Fachkräften", Jürgen Heinisch, ELIM Seniorencentrum Eppendorf
"Empowerment – starke Mitarbeiter/-innen in einem agilen Umfeld", Olaf Güllich, FORTIS IT-Services GmbH
Closing Impulse: "Qualifizierung von Mitarbeitern/-innen – Digitale Teilnehmerbefragung und unternehmensspezifische Weiterbildung", Annabelle Luther, Hamburg School of Business Administration