In unserem Newsblog finden Sie Blogbeiträge rund um das Thema Demografie in der Arbeitswelt sowie Veranstaltungstipps und Nachberichte eigener Veranstaltungen zum Stöbern. © Modrow
Digitaler Fishbowl zum 13. Deutschen Seniorentag
Es war eine große Herausforderung, den 13. Deutsche Seniorentag in kurzer Zeit in eine rein digitale Veranstaltung umzuwandeln – aber es ist gelungen. Die BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen zieht zur Halbzeit eine positive Zwischenbilanz. An den rund 45 Veranstaltungen nahmen fast genauso viele Gäste teil, wie in Präsenz erwartet worden waren. Auch der digitale Fishbowl des Demographie Netzwerkes Hamburg und der seniorTrainerIn Hamburg war mit rund 85 Teilnehmenden sehr gut besucht.
Sechs Experten/-innen bildeten den virtuellen Innenkreis des digitalen Fishbowls, um die Diskussionsrunde zu starten. In zwei Themenrunden gaben sie jeweils ein Impulsstatement zu den Fragen "Was zählt in der späten beruflichen Phase?" und "Wie können wir unseren Kompass in der dritten Lebensphase (neu) ausrichten?". Wie bei einem Fishbowl üblich, begaben sich im Verlauf der Diskussion immer wieder Teilnehmende von außen in den inneren Kreis, um sich einzubringen und Erfahrungswerte oder Expertenwissen beizutragen.
Frappierend war die Erkenntnis, dass im Berufsleben und darüber hinaus immer noch Altersstereotype existieren, die Menschen in der dritten Lebensphase heute nicht mehr gerecht werden. Die Benachteiligung Älterer wird dabei oft gar nicht bewusst wahrgenommen.
Dr. Leonie Koch hat bei OTTO vor vier Jahren mit einigen Mitstreitern/-innen das Netzwerk #experienced gegründet, weil sie die Sichtbarkeit der Generation 50plus im Unternehmen vermisste. Seitdem tritt sie dafür ein, Ältere einzubeziehen, z. B. wenn es um den Zugang zum Talent Pool, um das Recruiting oder um Präsenz in der Unternehmenskommunikation geht. Die große Resonanz hat sie darin bestärkt, ihre internen Aktivitäten auszubauen und sich darüber hinaus im betriebsübergreifenden Metanetzwerk 50plus zu engagieren. In einer monatlichen Coffee Break 50plus tauschen Unternehmen Ideen für ein generationengerechtes Miteinander aus.
Diese Erfahrung teilt Beatrix Behrens, die lange als Bereichsleiterin Personalpolitik in der Bundesagentur für Arbeit (BA) tätig war. "Der Fokus liegt heute vielfach auf dem Onboarding der jüngeren Generation, während die Beschäftigungsfähigkeit von über 50-jährigen und die Begleitung in den Ruhestand, das Offboarding, scheinbar kaum eine Rolle spielen", sagte die erfahrene Personalerin. Sie hat deshalb in der BA Workshops für Mitarbeitende ab circa 40 Jahren zwecks Standortbestimmung zur individuellen Berufs- und Lebensplanung sowie ein sehr stark frequentiertes Angebot zur Vorbereitung auf den Ruhestand initiiert. Mit großem Erfolg, denn die älteren Mitarbeitenden waren lernbegeistert und auch bereit, ihr Wissen intern weiterzugeben. Ein großes Pfund für jede Organisation und von Wertschätzung geprägten Organisationkulturen.
Diese Potenziale zu sehen und die Stärken der Älteren wie Gelassenheit, Erfahrungswissen und strategisches Denken zu nutzen, befürwortet auch Christoph Zeckra. Er gründete den Generali Zukunftsfonds, um den Auswirkungen des demographischen Wandels etwas entgegenzusetzen. Zeckra plädiert dafür, nicht in Lebensphasen zu denken, sondern Lernen und Wissensweitergabe, Arbeiten und Erholen, Karriere und Care Arbeit über die Lebensspanne hinweg zu verteilen. Gelassenheit empfiehlt er auch bei der Planung des sogenannten "Ruhestandes". Es gehe schließlich um die Weichenstellung für die nächsten 25 bis 30 Jahre, da dürfe die Kompassnadel schon mal in verschiedene Richtungen ausschlagen.
Raum für Orientierung bieten zum Beispiel die Gesprächsrunden „Neue Wege im Ruhestand“. Evamarie Peters von SeniorTrainerin Hamburg berichtete von fast 100 Orientierungsrunden in Unternehmen und Verwaltungen, die ihren Mitarbeitenden diese Workshops bereits angeboten haben. Die Teilnehmenden werden angeregt, sich in kleinen Runden - jetzt auch digital - auszutauschen über zentrale Fragen wie Gewinn, Verlust, Wünsche und Erwartungen für die kommende langjährige Lebensphase. Dabei kann ehrenamtliches Engagement eine Möglichkeit sein für die eigene Entwicklung und Zufriedenheit und für die Gesellschaft. SeniorTrainer Hamburg ist eine Gruppe von älteren Freiwilligen, die moderieren und ihren Input aus eigenem Erleben beisteuern. Für ihr Engagement wurde die Gruppe mit dem Deutschen Demografiepreis 2020 ausgezeichnet in der Kategorie „Lernen - ein Leben lang“.
Dazu ergänzte Jens Schunk von der Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen Hamburg, dass ein sinnstiftendes Ehrenamt wesentlich zu einem erfüllten Leben beitrage. Und nicht nur das: es hält geistig und körperlich fit, macht Spaß und man lernt noch etwas hinzu. Allerdings sieht er das freiwillige Engagement in Gefahr: Studien belegten, dass die Zahl der Ehrenämtler/-innen nach Renteneintritt zurückgehe. Die verlängerte Lebensarbeitszeit, eine hohe Arbeitsbelastung und der Zwang, die Rente aufzubessern, ständen dem entgegen. Jens Schunk stellt jedoch fest: "Wer früher schon im sozialen Umfeld aktiv war, der findet auch in der Rente den Weg ins Ehrenamt." Es gäbe bereits Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden dabei unterstützen. So können sie beispielsweise ihre Arbeitszeit reduzieren, wenn sie sich freiwillig engagieren.
Und was tut die Politik für Ruheständler? Beate Brinkmann arbeitet im Bundesseniorenministerium (BMFSFJ) im Bereich Aktives Altern. Sie wies darauf hin, dass das Ministerium mit zahlreichen Maßnahmen das Ziel verfolge, das aktive Altern zu fördern, wie z. B. Forschung zum Altern zu initiieren oder zu unterstützen oder mit dem Programm "Altersbilder" zu Aufklärung und Verbreitung realistischer Altersbilder beizutragen. So habe das BMFSFJ beispielsweise einen Runden Tisch "Aktives Altern – Übergänge gestalten" durchgeführt, um Handlungsempfehlungen zu erarbeiten.
"Eine rechtzeitige Vorbereitung auf den Ruhestand schütze davor in ein 'Loch' zu fallen, wenn das berufliche Umfeld wegbricht", sagte die Referentin. Einsamkeit könne sich im Rentenalter einstellen, wenn die persönlichen Kontakte allmählich verloren gingen. Insbesondere sei dies ein Problem, wenn Ehepartner oder Bekannte versterben. Seit Oktober 2020 gebe es ein Bundesmodellprogramm, das bis September 2022 insgesamt 29 Modellprojekte fördere, die ungewollter Einsamkeit entgegenwirken. Das Programm werde aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert und sei das erste dieser Art. Ein Fortsetzungsprogramm sei ab Oktober 2022 geplant. Es sollen rund 80 Projekte für fünf Jahre sozial innovative Angebote gegen Einsamkeit und soziale Isolation im Alter umsetzen. Darüber hinaus werden vom Bundesseniorenministerium weitere Projekte gegen Einsamkeit, für die digitale Teilhabe und zum aktiven Altern unterstützt.
Die Moderatorin Susanne Sabisch-Schellhas vom Demographie Netzwerk Hamburg/KWB e. V. bedankte sich bei den Referenten/-innen und bei allen Teilnehmenden für ihre Beteiligung und zog ein Fazit: "Der Generation 50plus sind Wertschätzung, Chancengleichheit und Teilhabe besonders wichtig sowie die Möglichkeit, den beruflichen Kompass immer wieder neu zu justieren. Für die Vorbereitung auf den Ruhestand brauchen Mitarbeitende Zeit, Unterstützung und den Austausch mit Gleichgesinnten. Im Demographie Netzwerk Hamburg setzen wir den Dialog fort und laden Sie ganz herzlich zu unserer Coffee Break 50plus am 6. Dezember ein."
Ihre langjährige Kooperation konnten die seniorTrainerIn Hamburg und das Demographie Netzwerk Hamburg im letzten halben Jahr im Projekt Kompass 50plus intensivieren, das vom Stifterverband im Programm Wirkung hoch 100 gefördert wurde. Gemeinsam mit Partnern aus dem betrieblichen und zivilgesellschaftlichen Sektor nahm das Projekt die spätberufliche Phase und den Rentenübergang in den Fokus.
Gemeinsam wird für ein neues Altersbild und für Wertschätzung und Perspektiven im Beruf und in der Zivilgesellschaft geworben.
Dr. Beatrix Behrens ist Bereichsleiterin Organisationsmanagement an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit und war bis Ende Oktober 2021 als Expertin HRM beim European Institute of Public Administration (EIPA) in Maastricht tätig. Sie hat verschiedene Veranstaltungen zum intergenerationalen Management und New Work durchgeführt. Bis Juli 2020 leitete Dr. Behrens den Bereich Personalpolitik und Personalentwicklung in der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit und hat u.a. das Diversity Management und Demografiemanagement verantwortet. Im Mittelpunkt steht eine lebensphasenorientierte Personalpolitik, die auch die Begleitung in den Ruhestand und intergenerationales Lernen im Fokus hat. Dr. Behrens sieht dies als immer wichtiger werdende Aufgabe in der Personalentwicklung an. Für den Prozess des "Offboarding" hat sie ein Modell entwickelt, mit dem man den Schritt in den Ruhestand aktiv begleiten kann.
Kontakt: beatrix.behrens@arbeitsagentur.de
Beate Brinkmann, Referentin Grundsatzangelegenheiten, Aktives Altern, Alternsforschung, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), brachte die Sicht der Politik in den Fishbowl ein. Sie stellt die Grundzüge der Seniorenpolitik des BMFSFJ vor, deren Ziel es ist, Menschen dabei zu unterstützen, im Alter selbstbestimmt zu leben und an der Gesellschaft teilhaben zu können. Wie das erreicht werden kann, erläuterte sie anhand ausgesuchter Beispiele sowohl zur Vorbereitung auf den Ruhestand als auch nach dem Eintritt in den Ruhestand.
Kontakt: Beate.Brinkmann@bmfsfj.bund.de
Dr. Leonie Koch stellte das Netzwerk #experienced bei OTTO im Fishbowl vor. Das selbstorganisierte Kernteam der Initiative setzt sich mit großem Engagement für die Belange von Mitarbeitern/-innen der Generation 50plus im Unternehmen ein. Gemeinsam mit betrieblichen Generationen-Netzwerken aus anderen Unternehmen zielt es darauf ab, die Wertschätzung gegenüber Älteren zu erhöhen und ihnen Chancen für eine berufliche Weiterentwicklung zu ermöglichen. Sie haben sich im lockeren Verbund zu einem Metanetzwerk 50plus zusammengeschlossen und tauschen sich in monatlichen Coffee Breaks 50plus aus.
Kontakt: leonie.koch@otto.de,
#experienced bei der Otto GmbH & Co KG: Xing, LinkedIn, Twitter
Evamarie Peters von seniorTrainerIn Hamburg berichtete über das Projekt "Neue Wege im Ruhestand". In moderierten Orientierungsrunden in Unternehmen und Behörden werden ältere Beschäftigte angeregt, sich frühzeitig Gedanken zu ihrer nachberuflichen Zeit zu machen und sich auszutauschen. Besonders informiert wird über freiwilliges Engagement als eine der Möglichkeiten, die gewonnene Zeit mit einer selbstgewählten Aufgabe zu gestalten. Die Seniortrainerinnen sind selbst nachberuflich vielfältig für das Gemeinwohl engagiert. Sie werden im Programm "Erfahrungswissen für Initiativen" (EFI) qualifiziert, das 2002 vom Bundesfamilienministeriums initiiert wurde.
Kontakt: neue.wege@seniortrainer-hamburg.de, www.seniortrainer-hamburg.de/hoerbar
Jens Schunk ist Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen Hamburg. Der Zusammenschluss stärkt die kommunale Infrastruktur zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements und unterstützt die freiwilligen und hauptamtlichen Mitarbeiter/-innen der im AKTIVOLI Landesnetzwerk organisierten Freiwilligenagenturen. Er zeigte das breite Spektrum für soziales Engagement und persönliche Weiterentwicklung auf, das zivilgesellschaftliche Initiativen bieten.
Kontakt: Jens.schunk@asb-hamburg.de
Christoph Zeckra, Community Engagement Director der Generali Deutschland AG, setzt sich für bürgerschaftliches Engagement insbesondere der älteren Menschen ein. Er wirkte im Projekt ZEIT FÜR NEUES mit, das Unternehmen bei Fragen des Übergangsmanagements unterstützte und dabei half, Strategien und Konzepte zur Bewältigung des demografischen Wandels zu entwickeln. In einem sichtbaren Übergangsmanagement in das Gemeinwohl sieht er eine Stärkung der Arbeitgeberattraktivität. Als Vorstandsmitglied im Demographie Netzwerk e. V. hat er sich zur Aufgabe gemacht, Unternehmen und Gesellschaft zu vernetzen, damit sie den Wandel gemeinsam gestalten.
Kontakt: christophzeckra@aol.com
Susanne Sabisch-Schellhas, Projektleitung ddn Hamburg, und Sandra Hinrichs, Projektmitarbeiterin ddn Hamburg, moderierten den Fishbowl. Sie stehen für das Projekt Kompass 50plus, das eine Brücke zwischen Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Organisationen schlägt. Denn vom Empowerment der Älteren profitieren sowohl Unternehmen als auch die Zivilgesellschaft, weil im demographischen Wandel leistungsfähige Mitarbeiter/-innen und engagierte Freiwillige aller Altersgruppen für die Gestaltung der Gesellschaft benötigt werden.
Kontakt: susanne.schellhas@kwb.de
"Neue Wege im Ruhestand", seniorTrainerIn (PDF)
BMI-Broschüre "Wege-Weiser in den Ruhestand" (PDF)
Informationen um das dritte Drittel des Arbeitslebens & das erste Drittel des Ruhestands, BMI, 2021
bagfa Bundesarbeitsgemeinschaft der FreiwilligenagenturenBundesweiter Dach- und Fachverband der Freiwilligenagenturen in Deutschland. Die bagfa hat die Vision, dass alle Menschen mit ihrem freiwilligen Engagement unsere Gesellschaft mitgestalten können. Dafür stehen die Freiwilligenagenturen vor Ort.
BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der SeniorenorganisationenDie BAGSO vertritt die Interessen der älteren Generationen in Deutschland. Sie setzt sich für ein aktives, selbstbestimmtes und möglichst gesundes Älterwerden in sozialer Sicherheit ein. Sie fördert ein differenziertes Bild vom Alter, das die vielfältigen Chancen eines längeren Lebens ebenso einschließt wie Zeiten der Verletzlichkeit und Pflegebedürftigkeit.
Berufsende in Sicht? Annäherung an eine neue Lebensphase, BAGSO, 2019 (PDF)
BaS Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros e.V.Seniorenbüros fördern das bürgerschaftliche Engagement älterer Menschen. Sie vermitteln Engagement im lokalen Umfeld und organisieren eigene Projekte. Sie bieten Begleitung und Qualifizierung sowie angemessene Rahmenbedingungen.
Projekt ZWAR - Zwischen Arbeit und RuhestandDie Beratungsleistungen richten sich vorwiegend an Kommunen oder gemeinnützige Unternehmen im öffentlichen Sektor, auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene.
ADS Antidiskriminierungsstelle des Bundes Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist eine unabhängige Anlaufstelle für Menschen, die von Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) betroffen sind. Sie berät im Fall einer Diskriminierung.