In unserem Newsblog finden Sie Blogbeiträge rund um das Thema Demografie in der Arbeitswelt sowie Veranstaltungstipps und Nachberichte eigener Veranstaltungen zum Stöbern. © Modrow
Lust und Frust im Homeoffice
Ddn Hamburg lud am 22. Juni zu einem Erfahrungsaustausch zum Thema „Homeoffice“ ein, der die ganze Bandbreite von „Lust bis Frust“ unter den Bedingungen von Corona aufzeigte. Im Austausch benannten die 36 Unternehmensvertreter/-innen sowohl den Gewinn als auch die vielfältigen Herausforderungen für Mitarbeiter/-innen und Führungskräfte. Wie sie auf den schnellen und radikalen „Change“ reagierten, nachdem sie - wie fast ein Viertel aller Arbeitnehmer/-innen - plötzlich überwiegend von zu Hause arbeiten mussten, und welche Schlüsse sie daraus zogen, haben wir in fünf Thesen für Sie zusammengefasst:
Die Technik muss stimmen
Die erste Hürde ist die Technik. Unternehmen können das benötigte Equipment von Software und Hardware meist nicht in ausreichender Zahl bereitstellen. Mitarbeiter/-innen suchen sich private Lösungen. Damit sind Datensicherheit, Datenschutz, Sicherheitsstandards, Software-Updates nicht immer gewährleistet.
Es hat in den letzten Monaten einen digitalen Schub in den Unternehmen aller Größen und Branchen gegeben. Die digitale Kompetenz und Offenheit der Mitarbeiter/-innen ist gewachsen, sie zeigen Eigeninitiative und reduzieren ihre Abwehr gegen technische Neuerungen. Damit gewinnen Unternehmen an Flexibilität und sind auf die Einführung agiler Strukturen besser vorbereitet. Sie sind aber auch gefordert, die Arbeitsfähigkeit herzustellen und die Nutzung von Webkonferenzen, Kollaborationstools, Cloudlösungen und sozialen Netzwerke zu ermöglichen. Online-Tools machen viele Reisen überflüssig, sparen Zeit und schonen die Umwelt.
Selbstbestimmung heißt auch Selbstverantwortung
Wenn die gewohnten Strukturen und Regeln wegfallen, die unser Arbeitsleben bisher geprägt haben, müssen die Mitarbeiter/-inne sich selbst organisieren. Für alle, die keine oder nur wenig Erfahrung im Homeoffice mitbringen, ist das eine große Umstellung. Auch die Vielzahl an Online-Meetings, Konferenzen und Webinaren kann leicht zu einer Überfrachtung führen. Wenn keine klaren Regelungen für Arbeitszeit und Erreichbarkeit kommuniziert werden, kann das Bestreben „Always on“ zu sein, zu einer Entgrenzung der Arbeitszeit und zur psychischen Belastung werden.
Klar liegen aber die Vorteile auf der Hand: zeitliche Flexibilität, effektives und ungestörtes Arbeiten sowie Work-Life-Balance. Mitarbeiter/-innen gewinnen Autonomie zurück und können Arbeit stärker nach eigenen Bedürfnissen ausrichten. Hierarchien werden gelockert und eine neue Führungskultur setzt verstärkt auf Teamarbeit und Ergebnisorientierung. Diese agilere Unternehmenskultur entspricht auch sehr viel mehr den Bedürfnissen der jüngeren Generation.
Arbeit und Privates sind zu trennen
Im Homeoffice besteht die Gefahr, dass Privates und Arbeit sich zu sehr vermischen. Der/die Arbeitnehmer/-in muss eigenverantwortlich dafür sorgen, dass berufliche Arbeit und Privatleben beide ihren Raum finden. Die Abgrenzung gegenüber der Familie wird insbesondere unter Corona-Bedingungen zur echten Herausforderung, wenn Kinder oder zu pflegende Angehörige mitversorgt und betreut werden.
Gerade in diesen Zeiten ist Selbstachtsamkeit als Voraussetzung für gesundes Arbeiten im Homeoffice besonders wichtig. Sowohl für die psychischen wie für die physischen Belastungen sollte sich jede/-r einen Ausgleich in Form von regelmäßigen Pausen, ausreichend Bewegung, Hobbies und Zeit für sich selbst verschaffen. Der Gewinn liegt in der flexibleren Gestaltung von Arbeit und Freizeit sowie von Familien- und Betreuungszeiten.
Kommunikation wird vielfältiger
Der Wechsel von der Präsenzkultur ins Homeoffice stellt unsere Kommunikation auf den Kopf. Der tägliche, oft zufällige und informelle Kontakt zu den Kollegen/innen entfällt. Stattdessen treffen wir uns in Online-Konferenzen und nehmen die anderen reduziert wahr: Gesten, Emotionen und Small-Talk sind auf dem Bildschirm nur begrenzt abzubilden. Langfristig ist mit Auswirkungen auf die Unternehmenskultur zu rechnen. Zugehörigkeitsgefühl, gegenseitige Achtsamkeit und ein gemeinsamer „Spirit“ könnten verloren gehen. Bezogen auf die Kommunikation nach außen kann die Einschränkung direkter Kundenkontakte sich sogar negativ in der Geschäftsentwicklung niederschlagen.
Zum Ausgleich dieser Nachteile können neue Wege der Kommunikation und des Soziallebens in der Organisation geschaffen werden. Online-Channels, moderierte Meetings, regelmäßige Austauschformate wie Meetups, Jours fixes oder ein virtueller Stammtisch sorgen für Informationsfluss und Austausch. Im Online-Meeting können wir unseren Kollegen/-innen durch die Kamera Einblicke in unser privates Umfeld geben und dadurch Nähe herstellen. Dennoch können diese neuen Kommunikationswege den direkten Kontakt nicht ersetzen und sind eher als Ergänzung zu sehen.
Führung wird agiler
Für Führungskräfte ist es besonders schwierig, ihrer Rolle unter den neuen Bedingungen gerecht zu werden. Oft ist nicht klar, wen sie wann, wo und wie erreichen können. Führen auf Distanz erfordert neue Führungsinstrumente. Die Führungskraft muss alle Mitarbeiter/-innen im Blick behalten, neue Wege für die Ansprache und den Austausch finden, Arbeitszeiterfassung und Ergebniskontrollen neu regeln und Zusammenhalt und Motivation fördern. Besonders fordernd sind Hybridformen aus Homeoffice und Präsenz, insbesondere, wenn es keine klaren Regelungen zu den Arbeitszeiten und -orten gibt.
Der Gewinn einer gelungenen Umstellung zeigt sich in effektiverem Arbeiten, erhöhtem Engagement und größerer Mitarbeiterzufriedenheit. Mehr Selbstbestimmung und eine bessere Life-Work-Balance motivieren die Mitarbeiter/-innen zu besserer Leistung, zu eigenständigem Handeln und zur Übernahme von Verantwortung. Widerstände einiger Mitarbeiter/-innen gegen die Einführung digitaler Tools und Medien, deren Nutzen sich im erzwungenen Homeoffice offenbart hat, konnten abgebaut werden. Führungskräfte können die Krise nutzen, um einen großen Schritt in Richtung agiler Unternehmenskultur und New Leadership zu gehen.
Fazit: Favorit ist der Hybrid
Die Vorteile aber auch die Nachteile des Homeoffice wurden im Erfahrungsaustausch beim Forum New Work/ddn Hamburg klar benannt. Die Teilnehmer/-innen wünschten sich, Homeoffice als Option im Unternehmen zu verankern und dadurch mehr Eigeninitiative, Selbstmanagement und Verantwortung zu erlangen, sowie von Ihrem Arbeitgeber mit der benötigten Technik, digitalen Tools und ggf. Schulungen ausgestattet zu werden.
Mit dem Wunsch nach dem Hybridmodell stehen die Teilnehmer/-innen nicht allein: laut einer aktuellen Umfrage des DAK wollen 76,9 Prozent der Beschäftigten, die erst seit der Coronakrise regelmäßig in der eigenen Wohnungen arbeiten, diese Arbeitsform auch in Zukunft – zumindest teilweise – beibehalten. Dieses belegen auch weitere Studien, die Winald Kasch, OrgaNeo GmbH, in seinem Impulsbeitrag am Anfang der Diskussion vorgestellt hatte.
Präsentation Winald Kasch (OrgaNeo GmbH)
Im Forum New Work möchten wir den Austausch zum Homeoffice gerne fortsetzen und auf weiterführende Fragen wie die langfristige Wirkung der Coronakrise auf Mitarbeiter/-innen und Führungskräfte sowie auf die Unternehmenskultur und-organisation eingehen. Der Termin wird in Kürze im Terminkalender angekündigt.
© Unsplash / C. Montgomery