Sie haben eine unserer Veranstaltungen verpasst oder möchten Informationen zu einer besuchten Veranstaltung nachlesen? Hier dokumentieren wir die Fachforen und Arbeitskreise für Sie.

10.10.2017

"Was bedeutet die Digitalisierung für das BGM?"

Forum Betriebliches Gesundheitsmanagement bei der Techniker Krankenklasse

Mehr als 50 Teilnehmer/-innen tauschten sich am 10.10.2017 im Demographie Netzwerk Hamburg darüber aus, welche neuen Herausforderungen durch die Digitalisierung auf das betriebliche Gesundheitsmanagement zukommen und wie Unternehmen erfolgreich damit umgehen können. Gastgeber war die Techniker Krankenkasse, die ihre neuste Studie "#Whatsnext - Gesund arbeiten in der digitalen Arbeitswelt" vorstellte. Ein Praxisbericht zum BGM bei der Deutschen Bahn zeigte die ganze Bandbreite möglicher Interventionen auf, die in einem Großkonzern angewendet und erprobt werden – mit dem Potenzial, auch auf kleinere Unternehmen übertragen zu werden.

Christian Timmerhoff, Fachreferent für betriebliches Gesundheitsmanagement bei der Techniker Krankenkasse, präsentierte die eindrucksvollsten Ergebnisse der großangelegten Studie, an der die TK beteiligt war. Nach Meinung der mehr als 800 Befragten sind Führung, eine gesunde Unternehmenskultur, Wissenssicherung, Feedbackkultur, Change- und Konfliktmanagement sowie digital Leadership die Zukunftsthemen für die Gesundheitsförderung in Unternehmen. Noch vor einer Aufstockung der personellen und finanziellen Ressourcen, steht der Wunsch nach einem stärkeren Engagement der Führungskräfte. Hierfür benötigen sie die Unterstützung des Unternehmens. Lebenslanges Lernen sowie die psychische Gefährdungsbeurteilung und die Vorbeugung gegen Burn-out werden als notwenige Präventionsmaßnahmen genannt. Ein systematisches, ganzheitliches BGM konnten bislang nur 27 Prozent der Studienteilnehmer/-innen umsetzen.

Simone Mouget, stellvertretende Leiterin des Gesundheitsmanagements (HBG) bei der Deutschen Bahn, stellte zu Beginn ihres Vortrags fest, dass die aktive Gestaltung der digitalen Transformation ein Wettbewerbs- und Überlebensthema für Ihr Unternehmen sei. Neue Geschäftsmodelle, fünf Labs zur Produktentwicklung und zahlreiche Forschungs- und Pilotprojekte, sowie die Verankerung von „Arbeit 4.0“ im Tarifvertrag belegen den Willen zur aktiven Gestaltung. Neue Organisationsstrukturen, Abläufe und Kulturen werden zurzeit erprobt, z. B. beim IT-Dienstleister „DB Vertrieb“. Kennzeichen sind flache Hierarchien, agile Arbeitsformen wie Design Thinking und Scrum sowie selbstorganisiertes Arbeiten. Allerdings sind diese Methoden nicht in allen Arbeitsbereichen anwendbar. 

Der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter/-innen ist ein Fokusthema des Unternehmens. Zur Unterstützung der psychischen Gesundheit werden telefonische Beratung (MUT), Online-Programme zur Stressbewältigung sowie E-learning-Tools und Seminare für Führungskräfte angeboten. Die gesundheitsplattform „Machfit“ sowie ein Online-Fitnessstudio dienen der körperlichen Fitness. Als Erfolgsrezept für das BGM empfiehlt Simone Mouget ein gut funktionierendes Change Management und eine Abkehr vom Silodenken: BGM, Führungskräfte- und Organisationsentwicklung müssen kooperieren, um nachhaltige Effekte zu erzielen. Ziel ist es, alle Mitarbeiter/-innen des Unternehmens „mitzunehmen“. Große Erfolge brachte ein Programm für Ältere (Clara), welches die Beschäftigungsfähigkeit der Zielgruppe deutlich verbesserte. Überraschend zeigte sich jetzt ein neues Handlungsfeld: Bei der Deutschen Bahn liegt die Krankenquote der unter 35-Jährigen höher, als die der über 60-Jährigen. Mit dem Erfolgsprogramm Clara ist es gelungen, Ältere länger beschäftigungsfähig zu halten, nun wird daran gearbeitet, Jüngere zu motivieren und an das Unternehmen zu binden.

Beide Vorträge entfachten eine lebhafte Diskussion über die praktische Umsetzung von BGM im Unternehmen. Was ist zu tun, wenn der Geschäftsführung die Einsicht in die Notwendigkeit von BGM-Maßnahmen fehlt? Frau Mouget empfiehlt „Beharrungsvermögen“ und mit Daten und Fakten zu überzeugen. So konnte beispielsweise das Programm „Clara“ durch den Nachweis eines ROI pro Mitarbeiter gerettet werden.

Um die Führungskräfte zu gewinnen, ist die Kommunikation der Maßnahmen ist ein notwendiges, wenn auch nicht hinreichendes Mittel. In der Flut der Informationen gehen Hinweise zum BGM oft unter, sodass neue kreative Wege gefragt sind. Der Tipp aus der Teilnehmerrunde lautet „Führungskräfterunden mit dem Thema „infiltrieren“. In die Entwicklung des Angebotes sollten die Mitarbeiter/-innen unbedingt einbezogen werden, um nicht am Bedarf vorbei zu planen. Auch die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen oder ein System von qualifizierten „Kümmern“ bieten die Chance, die Betroffenen zu erreichen.

Einig war die Runde darin, dass durch die Digitalisierung neue Belastungen entstehen. Die Teilnehmerrunde konstatiert, dass die herkömmlichen Systeme den Anforderungen nicht mehr entsprechen. So kommt es zur Arbeitsverdichtung, Überlastung und zu gesundheitlichen Problemen. Die Unternehmenskultur ist auf die neuen agilen Arbeitsformen, die die digitale Transformation hervorbringt, nicht eingestellt. Schon junge Leute unter 35 Jahren reiben sich an den bestehenden Strukturen und sind frühzeitig ausgebrannt oder verweigern sich. Sie benötigen Unterstützung, um ein gesundes Arbeitsverhalten zu entwickeln und angesichts der „Always-on-Kultur“ die eigene Gesundheit zu schützen. Führungskräfte sind Vorbilder und müssen den Jüngeren helfen, ihr Verhalten zu reflektieren und ihnen gegebenenfalls zeigen, wie man den „Aus-Knopf“ für die Arbeit findet.

Die beiden Vorträge und die Beiträge der Unternehmen zeigten, dass die Herausforderungen des digitalen Wandels für das Gesundheitsmanagement immens sind und dass sich alle auf der Suche nach Lösungsansätzen befinden. Da die Transformation die gesamte Organisation betrifft und Arbeit grundlegend verändert, müssen alle Unternehmensbereiche gemeinsam an einer Umstrukturierung arbeiten. Die Partizipation der Mitarbeiter/-innen, die diese Entwicklung mittragen müssen, ist dabei unerlässlich. 

Das Demographie Netzwerk Hamburg wird den Dialog fortsetzen und lädt Sie herzlich zu weiteren Veranstaltungen ein:

Toolbox für Lebenslanges Lernen – Blockaden beseitigen! 
19.10.2017, Forum Qualifizierung und Wissensmanagement, KWB e. V.
Anmeldung: Sebastian Hentschel, hentschel@kwb.de 

Alter(n)skritische Arbeitsbedingungen
03.11.2017, AK Arbeitsbedingungen gestalten, UKE
Anmeldung: Barbara Lux, Lux Consulting, Barbara Lux, barbaralux@lux-consulting.com 

Über Social Media die Arbeitgebermarke stärken
13.11.2017, Forum Employer Branding, N. N.
Anmeldung: Sebastian Hentschel, hentschel@kwb.de 

Von der Bestands- zur Bedarfsanalyse – Strategische Personalplanung als Bestandteil erfolgreicher Unternehmensstrategie
22.11.2017, Workshopreihe „Strategische Personalplanung in KMU“, KWB e. V. 
Anmeldung: Sebastian Hentschel, hentschel@kwb.de

Simone Mouget (Mitte) beantwortet in der Diskussionsrunde Fragen zum BGM der Deutschen Bahn.