Betriebliche Suchtarbeit – Chancen für eine gesunde Unternehmenskultur

Das Forum in Präsenz gab die Möglichkeit eines intensiven Austausches.
Sucht am Arbeitsplatz ist nach wie vor ein Tabuthema – trotz der erheblichen Auswirkungen auf Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Betriebsklima. Dabei zeigen aktuelle Zahlen: Sowohl stoffgebundene Süchte wie Alkoholmissbrauch als auch nicht-stoffgebundene Abhängigkeiten wie Internetsucht sind weit verbreitet. Die Veranstaltung "Betriebliche Suchtarbeit: Chancen und Herausforderungen für Unternehmen und Beschäftigte" im Rahmen des Forums Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) widmete sich diesem sensiblen Thema. Teilnehmende erhielten Einblicke in Herausforderungen und praxisnahe Handlungsansätze.

Sucht am Arbeitsplatz: Verbreitet, aber häufig verdrängt

Rodger Mahnke von der faw klärte über Chancen der Betrieblichen Suchtarbeit für Unternehmen und Beschäftigte auf.
Gleich zu Beginn wurde das Ausmaß deutlich: Rund die Hälfte der Teilnehmenden gab an, bereits mit Suchtverhalten im eigenen Unternehmen konfrontiert gewesen zu sein. Dennoch bleibt das Thema vielerorts unausgesprochen – mit weitreichenden Folgen.

Rodger Mahnke, Diplom-Sozialpädagoge und Lehrgangsleiter für Betriebliche Suchtarbeit bei der faw, lenkte den Fokus insbesondere auf den gesellschaftlich akzeptierten Alkoholkonsum: "Jeder zehnte Beschäftigte in Deutschland konsumiert Alkohol in riskantem Maß – mit spürbaren Folgen wie Fehlzeiten, Leistungseinbußen und Konflikten im Team."

Prävention als wirksamster Hebel

Ein zentrales Plädoyer Mahnkes lautete: Frühzeitige Prävention ist der Schlüssel im Umgang mit betrieblicher Suchtproblematik. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) bietet hierzu umfangreiche Unterstützung, etwa über die Informationsplattform "Sucht am Arbeitsplatz". Wichtig sei eine strukturierte Vorgehensweise im Unternehmen – verbunden mit klaren Zuständigkeiten und Schulungen. "Je eher, je besser", betonte Mahnke mit Blick auf den präventiven Ansatz als wirkungsvollste Maßnahme.

Digitale Abhängigkeit: Internetsucht als neue Herausforderung

Dr. Klaus Wölfling berichtete von der Zunahme von Verhaltenssüchten.

Ein wachsendes Problem im betrieblichen Kontext ist die Internetsucht. Dr. Klaus Wölfling, Diplom-Psychologe und Leiter der Therapeutischen Gemeinschaft Jenfeld, erläuterte die psychologischen Mechanismen digitaler Verhaltenssüchte – von gestörter Gefühlsregulation, die bis zu sozialem Rückzug führt.

Seit 2023 ist Internetsucht als psychische Erkrankung von der WHO anerkannt – bei Symptomen über einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten. Dr. Wölfling verwies auf aktuelle Daten und Erkenntnisse im "Jahrbuch Sucht 2025", an dem er selbst mitgearbeitet hat.

Unterstützung vor Ort: Hamburger Onlinesuchtberatung

Für Betroffene in Hamburg gibt es ein niedrigschwelliges, kostenfreies Angebot: Die Hamburger Onlinesuchtberatung, gefördert von der Sozialbehörde, ermöglicht bis zu acht Stunden individuelle Beratung – flexibel und anonym.

"Das Online-Format senkt die Hemmschwelle. Das ist sehr sinnvoll, da meist auch Scham eine große Rolle spielt", erklärte Dr. Wölfling. Die Nachfrage nach dem Angebot sei hoch.

Austausch auf Augenhöhe: Thementische als Praxisforum

An den Thementischen kamen die Referenten mit den Teilnehmenden ins Gespräch.

In moderierten Kleingruppen diskutierten die Teilnehmenden eigene Erfahrungen, offene Fragen und konkrete Herausforderungen. Schnell wurde klar: Viele Unternehmen suchen nach Wegen, Suchtproblematiken offen und zugleich strukturiert zu begegnen. Besonders Führungskräfte und BGM-Beauftragte tragen dabei eine entscheidende Rolle.

"Als Führungskraft steht man oft im Zwiespalt: Spreche ich den Verdacht an und riskiere eine Eskalation – oder warte ich ab?“, erklärte ein Teilnehmer offen. Eine andere Teilnehmerin ergänzte: "Häufig kommen auch Depressionen oder Ängste hinzu – das können wir als Unternehmen kaum auffangen." Die Referierenden betonten: Eine professionelle externe Beratung ist essenziell. Betriebliche Suchtarbeit kann und soll nicht alles allein leisten.

Best Practice: Suchtarbeit bei der Haspa

Als Best Practice stellte Bernd Kranitz die Präventions- und Interventionsstrategien der HASPA vor.

Wie gelungene betriebliche Suchtarbeit in der Praxis aussehen kann, zeigte Bernd Kanitz, Gesundheitsmanager bei der Hamburger Sparkasse (Haspa). Bei über 4.500 Beschäftigten trifft er auch immer wieder auf suchtbedingte Auffälligkeiten – vor allem im Zusammenhang mit Alkohol. "Entscheidend ist eine vertrauensvolle Haltung. Nur wenn Mitarbeitende sich sicher fühlen, lassen sich nachhaltige Lösungen entwickeln."

Die Haspa setzt auf strukturiertes Vorgehen: Jede Führungskraft absolviert eine verpflichtende Schulung zu BEM und Suchtarbeit. Im Fokus stehen Gesprächsführung und der sensible Umgang mit Betroffenen. Eine klar geregelte Betriebsvereinbarung sowie ein mehrstufiger Handlungsplan sorgen für Orientierung. Die letzte Stufe, der Kündigungsschritt, sei jedoch selten nötig. "In den meisten Fällen finden wir vorher gemeinsam eine Lösung", so Kanitz.