Sie haben eine unserer Veranstaltungen verpasst oder möchten Informationen zu einer besuchten Veranstaltung nachlesen? Hier dokumentieren wir die Fachforen und Arbeitskreise für Sie.

02.05.2024

Evaluation im BGM-Prozess – richtig aufsetzen, gestalten und nachhalten

Bild: Anja Mücklich und Fleur Glaner
Anja Mücklich, Referentin am Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV, und Fleur Glaner, Leiterin für Betriebliche Gesundheit und Prävention bei der FAW gGmbH.

Welche Wirkung mit einer Evaluation des betrieblichen Gesundheitsmanagements erzielt werden kann, erfuhren 67 Teilnehmende im Forum Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) von Anja Mücklich vom Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV), Fleur Glaner von der FAW gGmbH und anhand eines Unternehmensbeispiels.

Grundlagen der Evaluation

Anja Mücklich ist Referentin am Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV und führte in die Grundlagen des Evaluationsprozesses ein. Eine systematische und strategische Herangehensweise im  BGM ist Voraussetzung für den Erfolg. Der erste Schritt umfasst die strukturellen Voraussetzungen. Hier fließen die Gesundheitspolitik des Unternehmens, die strategischen Ziele sowie die Strukturen und Ressourcen ein. Es folgt die Analyse und darauf die Festlegung der operativen Ziele, aus denen heraus Maßnahmen entwickelt werden. Die Evaluation dieser Prozesse und Maßnahmen zeigt den Grad der Zielerreichung, weist auf Erfolge und Schwachstellen hin und ermöglicht eine kontinuierliche Weiterentwicklung des BGM.

Die operativen Ziele lassen sich anhand der SMART-Formel festlegen. Demnach sollen Ziele spezifisch, messbar akzeptiert attraktiv realistisch und terminiert sein – eine gute Basis für die Evaluation und Prozesstreiber sind "Unternehmenskultur" und "gesunde Führung", die der Gesundheit der Mitarbeitenden eine hohe Wertigkeit beimessen sollten.

Sechs Erfolgsfaktoren für eine gelingende Evaluation nannte die Referentin:

  1. Informieren und kommunizieren Sie Ihr Vorhaben im gesamten Unternehmen auf allen zur Verfügung stehenden Kanälen.
  2. Beteiligen Sie die Mitarbeitenden von Beginn an dem Evaluationsprozess.
  3. Entwickeln Sie die benötigten Kompetenzen.
  4. Dokumentieren Sie Ihr Vorgehen und die einzelnen Schritte.
  5. Nutzen Sie digitale und analoge Werkzeuge für die Umsetzung, die von Expertinnen und Experten entwickelt wurden.
  6. Vernetzen Sie sich innerhalb und außerhalb des Unternehmens.

Die drei Ebenen der Evaluation

Anschließend erläuterte Anja Mücklich die drei Ebenen der Evaluation und veranschaulichte die Umsetzung anhand zahlreicher Beispiele. Häufig ist der Übergang zwischen den drei Ebenen fließend.

Die Strukturevaluation erfasst die strukturelle Verankerung des BGM in der Aufbau- und Ablauforganisation. Sie fragt nach den persönlichen, materiellen, organisatorischen und strukturellen Voraussetzungen und Ressourcen, die für die Zielerreichung zur Verfügung stehen. Dabei bezieht sie sich auf die Gesundheitspolitik des Unternehmens, die strategischen Ziele sowie die Strukturen und Ressourcen der Prozessebene des BGM sowie auf die Beachtung der Prozesstreiber und Erfolgsfaktoren eines BGM.

Die zentrale Frage lautet: "Sind die notwendigen Strukturen geschaffen, um die BGM-Ziele zu erreichen?"

Als mögliche Instrumente nannte Anja Mücklich Checklisten (z. B. BGM-Check – IAG, Struktur-Check – VBG), Audits (Corporate Health Award, Deutsches Siegel Unternehmensgesundheit) und Bewertungen im Steuergremium.


Die Prozessevaluation verfolgt die Durchführung des BGM und bewertet die Umsetzung von Maßnahmen.

Eine typische Frage lautet: "Sind die Maßnahmen reibungslos und wie geplant umgesetzt worden?"

Instrumente der Prozessevaluation sind z. B. Interviews mit Personen, die an der Umsetzung der Maßnahmen beteiligt waren, Fragebögen (zur generellen Umsetzung der Maßnahmen / zu jeweiligen Maßnahmen). Dokumentation von Maßnahmen und Workshops zur Prozessevaluation.


Bei der Ergebnisevaluation geht es um die Frage, ob die Ziele erreicht wurden und welche Qualität das Ergebnis hat. Die Ergebnisevaluation misst die Qualität und Wirkung der Maßnahmen anhand der gesetzten Ziele.

Typische Fragen wären: "Wurden die Ziele zum Zeitpunkt X erreicht? Wie hoch ist der Zielerreichungsgrad? Waren die Beteiligten zufrieden?"

Beispielhafte Instrumente und Methoden wären eine Analyse der Indikatoren, die an die operativen Ziele geknüpft sind, ein Vorher-Nachher-Vergleich anhand von Instrumenten der Analysephase oder Workshops zur Ergebnisevaluation.


Am Ende ihres Vortrages nannte Anja Mücklich Beispiele aus dem internen BGM der DGUV. Nach Anwendung der verschiedenen Analyse- und Evaluationsmethoden werden die Ergebnisse in einem Gesamtbericht zusammengeführt und im Steuerkreis beraten.

Was alles bei der Entwicklung eines Evaluationskonzeptes zu beachten ist, hat die DGUV in einer Broschüre verschriftlicht.

Folgende Punkte hob die Referentin besonders hervor:

  • Struktur-, Prozess- und Ergebnisevaluation in Bezug auf das gesamte BGM beachten.
  • Bereits bei der Zielformulierung die Indikatoren für die Evaluation mitdenken.
  • Bereits bei der Planung betriebsspezifischer Maßnahmen gesicherte Erkenntnisse berücksichtigen.
  • Vorhandene Instrumente nutzen, harte und weiche Kriterien (quantitative und qualitative Analysen), interne und externe Evaluationen kombinieren.
  • Auf ein angemessenes Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen achten.

 

Best Practice eines Evaluationsprozesses

Fleur Glaner ist Leiterin für Betriebliche Gesundheit und Prävention bei der FAW gGmbH und kennt Best-Practice-Unternehmen aus ihrer Beratungstätigkeit. Gemeinsam mit einem Praxispartner aus einem mittelständischen Unternehmen stellte sie die Durchführung und Evaluation eines Prozesses der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen vor.

Der mehrjährige Prozess begann mit einer diffusen Unzufriedenheit im Unternehmen, die sich in hohen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit (AU) sowie Konflikten und Reibungsverluste in den Prozessen zeigte. Gemäß einem klassischen Ablauf richteten die BGM-Verantwortlichen zunächst ein Steuerungsgremium ein und legten Analysebereich, Ziele und ein Kommunikationskonzept fest.

In einem zweistufigen Verfahren, das aus einer Mitarbeiterbefragung, zwei Impulstests und mehreren Workshops bestand, konnten die Belastungen der Mitarbeitenden ermittelt und beurteilt werden. Vier Handlungsfelder ergaben sich daraus, in denen Maßnahmen entwickelt und umgesetzt wurden. Diese bestanden sowohl aus dem Einsatz von Instrumenten wie Peer Reviews und die Einführung eines Wikis, als auch aus strukturellen Veränderungen wie die Erarbeitung eines gemeinsamen Führungsverständnisses oder die Rollen- und Aufgabenklärung mittels einer Verantwortungsmatrix.

Mit laufenden Wirksamkeitskontrollen kontrollierten die Prozessverantwortlichen den Erfolg nach qualitativen wie quantitativen Kriterien. Wichtig war dabei die Kommunikation mit den verschiedenen Stakeholdern. Dazu gehörten Reflexionsrunden mit dem Steuerungsgremium, mit den Führungskräften und mit den Teams. Für letztere wurden außerdem vertiefende Workshops angeboten. Mitarbeitergespräche, gezielte Fragebögen und die Erhebung von Kennzahlen gaben weiteren Aufschluss über die Wirksamkeit der Maßnahmen und ermöglichten ein permanentes Nachsteuern.

Für besonders wichtig erachteten Fleur Glaner und der Unternehmensvertreter die beiden Impulstests, die vor und nach der Implementierung von Maßnahmen erfolgten. Nach drei Jahren wurde der Impulstest 2 noch einmal wiederholt und zeigte ein ganz anderes Bild in Bezug auf die Mitarbeiterzufriedenheit, den Krankheitsstand und die Kündigungsquote.

"Dieses Unternehmensbeispiel zeigt deutlich, dass die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen so viel mehr ist als eine Mitarbeiterbefragung", bilanzierte Fleur Glaner, "und dass das BGM so viel weiter geht als bis zum Obstkorb: Verantwortlichkeiten konnten geklärt, Handlungsspielräume erweitert, Strukturen umgestaltet und das Führungsverhalten optimiert werden."

Vertiefender Arbeitskreis "Evaluation im BGM"

In der Diskussion mit der Referentin wiesen die Teilnehmenden auf die Bedeutung von Kennzahlen als Analyseinstrumente hin. Sie helfen bei der Argumentation mit der Geschäftsführung und mit Vorgesetzten als Beleg für die Relevanz des BGM und die Bereitstellung von Ressourcen. Es bestand Interesse, dieses Thema im Arbeitskreis zu vertiefen. Der Umgang mit psychischen Belastungen, mit der Ent-Stigmatisierung von Erkrankungen und die Verknüpfung mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement waren weitere Themenwünsche.

 

Vertiefender Austausch zum "Forum BGM" in unseren Arbeitskreisen

Für einen vertiefenden Austausch in kleinem Kreis bietet ddn Hamburg die Arbeitskreise "Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz" (Leitung Fleur Glaner, FAW gGmbH)  und "Betriebliches Eingliederungsmanagement" (Leitung Ewa Jakubczak) an. 

Diese Themen möchten die Teilnehmenden in den Arbeitskreisen vertiefen: Umgang mit psychischen Belastungen im Unternehmen, Bildung von Kennzahlen, Ent-Stigmatisierung von Erkrankungen und wie das betriebliche Eingliederungsmanagements unterstützen kann.

Wer die Diskussion zum Thema "Evaluation im BGM" fortsetzen möchte, ist herzlich zum nächsten Treffen des Online-Arbeitskreises "Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz" am Dienstag, dem 2. Juli 2024, 11:00 – 12:00 Uhr, eingeladen. Bitte melden Sie sich per E-Mail direkt bei Fleur Glaner (fleur.glaner@faw.de) für die kostenfreie Teilnahme an. 

Für den Arbeitskreis "Betriebliches Eingliederungsmanagement" wenden Sie sich bitte an Ewa Jakubczak (ewa.jakubczak@faw.de). Der nächste Termin findet im Herbst statt, das Datum wird noch bekanntgegeben.


Empfehlungen

DGUV Grundsatz 306-002: Präventionsfeld "Gesundheit bei der Arbeit" - Positionierung und Qualitätskriterien

Leitfäden der GKV: Evaluationsintrumente zur Betrieblichen Gesundheitsförderung

DGUV Information 206-002: Verfahren und Methoden im Präventionsfeld "Gesundheit im Betrieb" -Empfehlungen für Präventionsfachleute

DGUV Information 211-043: Gute Praxis der Evaluation von Präventionsmaßnahmen in der gesetzlichen Unfallversicherung

Der Methodenkoffer der DGUV: Eine Sammlung von Methoden zur Anwendung in der Evaluation

Argumentationshilfen: Initiative Gesundheit & Arbeit (iga) (iga-info.de)

iga.Report 40: Wirksamkeit und Nutzen arbeitsweltbezogener Gesundheitsförderung und Prävention