Inklusive Jobs beim FC St. Pauli und ETV – Unternehmen lernen von Vereinen
Beim digitalen Forum Inklusion zeigten der FC St. Pauli von 1910 e.V. und der Eimsbütteler Turnverband (ETV), wie Vereine Menschen mit Behinderung erfolgreich in Arbeits- und Vereinsleben einbinden. Sie machten deutlich, wie aus Haltung, Offenheit und Zusammenarbeit echte Teilhabe entsteht. Die Erfahrungen und Strategien der beiden Vereine lassen sich auch auf Unternehmen übertragen – sowohl strategisch als auch praktisch.
Unternehmen stehen vor Herausforderungen
"Womit fangen wir am besten an, wenn wir es richtig angehen und nichts falsch machen wollen?", "Was sollten unsere Mitarbeitenden über das Thema Behinderung wissen?" oder "Können wir inklusiv und wirtschaftlich zugleich arbeiten?" – Fragen wie diese tauchen immer wieder im Zusammenhang mit Inklusion am Arbeitsplatz auf.
Bevor der FC St. Pauli und der ETV ihre Antworten und Praxistipps gaben, führte Moderator Dr. Oliver Borszik mit einem Impuls in das Thema ein. Er betonte dabei, dass Inklusion kein Widerspruch zur Wirtschaftlichkeit ist: "Beides kann Hand in Hand gehen."
Inklusionsstand in den Unternehmen der Teilnehmenden
Um ein Stimmungsbild zu gewinnen, startete er eine interaktive Umfrage unter den Teilnehmenden: "Sind Sie in Ihrem Unternehmen bereits konkrete Schritte in der gelebten Inklusionspraxis gegangen?" und "Ist Inklusion in Ihrer Organisation strategisch verankert?"
Die Mehrheit der Teilnehmenden arbeitet in Unternehmen, die sich aktiv in der Umsetzung inklusiver Praxis befinden oder bereits Maßnahmen etabliert haben. Nur wenige haben noch gar nicht begonnen.
Inklusion ist bei der Mehrheit auch entweder strategisch verankert oder zumindest praktisch aktiv. Dagegen hat ein Viertel aber bisher noch gar nichts unternommen.
Inklusion als gelebter Vereinswert beim FC St. Pauli
Laura Becker, Personalleitung beim FC St. Pauli von 1910 e.V., zeigte eindrucksvoll, wie tief Inklusion in der DNA des Vereins verankert ist. "Seit den 1980er-Jahren versteht sich St. Pauli als Wertegemeinschaft, die weit mehr ist als ein Fußballclub", so die Personalerin. "Aus der Hausbesetzerszene rund um die Hamburger Hafenstraße hervorgegangen, steht der Verein bis heute für Authentizität, Vielfalt und eine klare Haltung gegen jede Form von Diskriminierung."
Diese Werte sind fest in der Satzung verankert und prägen das tägliche Handeln. Becker betonte: "Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen – aber eines, das Verantwortung übernimmt."
Schon ein Diskurs kann viel bewirken
Der Impuls für mehr Diversität kam beim FC St. Pauli 2019 aus der Mitgliederversammlung: Sie forderte einen Diskurs über Gleichstellung und Vielfalt. Im Fokus stand zunächst die genderparitätische Besetzung von Führungspositionen. "Spannend war, dass bereits der Diskurs zu einer ausgewogeneren Verteilung führte – nicht erst die später eingeführte Quote", so Becker.
Heute sind Präsidium und Aufsichtsrat des Clubs mehrheitlich weiblich besetzt – nicht durch Quotenregelung, sondern durch die Wahl überzeugender Kandidatinnen.
Von der Pflicht zur Kür: Vorgaben schaffen Orientierung
Becker sprach auch über externe Dokumentationspflichten wie DFL-Lizenzierung, ESRS-Nachhaltigkeitsberichterstattung und Gemeinwohlbilanzen. Diese bedeuteten zwar Aufwand, schafften aber auch Klarheit und Transparenz. Regulatorische Vorgaben liefern messbare Kennzahlen und eine solide Arbeitsbasis, auf der Inklusionsstrategien wachsen können.
"Wir haben zu Beginn eine Erhebung unter unseren Mitarbeitenden durchgeführt, um unseren Ausgangspunkt zu kennen", erklärte sie. "So eine statistische Grundlage hilft, Handlungsfelder und Ziele zu benennen und anzugehen."
Strukturelle Verankerung und starke Partner
Der FC St. Pauli hat seine Diversitätsstrategie inzwischen fest in Leitlinien und Werten verankert. Eine Steuerungsgruppe Diversität bündelt Themen wie Gleichstellung, Antirassismus und Inklusion.
"Mein Tipp ist, neben internen Arbeitsgruppen auch externe Netzwerke einzubeziehen", rät Becker. Kooperationen mit Partnern wie KickIn!, socialbee oder der Hamburger Arbeitsassistenz sorgen für fachliche Begleitung und nachhaltige Umsetzung.
"Steilpass" – Inklusion in der Praxis
Wie Inklusion konkret funktioniert, zeigt das Projekt "Steilpass", ein Modellprojekt der Beratungsstelle KickIn! Diese setzt sich in Zusammenarbeit mit den Bundesligavereinen FC St. Pauli, SC Freiburg und VfL Wolfsburg als Modellstandorte für Inklusion und Vielfalt im deutschen Profifußball ein. Hier werden Menschen mit Behinderung gezielt in Tätigkeiten rund um den Club eingebunden – von der Spieltagsvorbereitung über organisatorische Aufgaben bis hin zur Fanarbeit.
Menja Radke, Teilnehmerin des Projekts, die mit Unterstützung ihrer Assistenz von der Hamburger Arbeitsassistenz beim Forum Inklusion mitwirkte, berichtete begeistert von ihren Erfahrungen: Sie absolvierte mehrere Praktika beim FC St. Pauli und engagiert sich mit spürbarer Begeisterung auf und neben dem Spielfeld. „Ich kann gut St. Pauli-Fans anfeuern!“, beschreibt sie eine ihrer Stärken. Ihre Erzählungen zeigten eindrucksvoll, wie sehr inklusive Jobs Teilhabe möglich machen sowie Stolz, Motivation und Gemeinschaftsgefühl im Unternehmen stärken.
Der ETV lebt Inklusion im Sport- und Arbeitsumfeld
In der zweiten "Spielhälfte" des Forums präsentierte Michael Kakoschke, Bereichsleiter Liegenschaften und Technik beim Eimsbütteler Turnverband e.V. (ETV), die inklusive Praxis im größten Breitensportverein Hamburgs.
Mit über 21.000 Mitgliedern in 24 Abteilungen und rund 40 Sportarten bietet der ETV nicht nur ein breites Bewegungsangebot, sondern auch vielfältige Arbeitsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung – insbesondere im Facility Management.
Hier übernehmen inklusive Teams Aufgaben im Hausmeisterdienst, in der technischen Unterstützung, Logistik, beim Veranstaltungsaufbau oder in der Gartenpflege. Die Tätigkeiten sind klar strukturiert, individuell anpassbar und ermöglichen sichtbare Erfolge – ein entscheidender Faktor für Motivation und Selbstwert.
Soziale Einbindung als Schlüssel
Kakoschke betonte, dass soziale Einbindung die Grundlage jeder inklusiven Beschäftigung bildet. Der tägliche Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, das gemeinsame Arbeiten auf den Sportanlagen und die Integration in Vereinsstrukturen fördern Akzeptanz und Zusammenhalt. "Inklusion funktioniert nicht durch Konzepte allein, sondern durch menschliche Nähe und Vertrauen", fasste er zusammen.
Externe Partner als Erfolgsfaktor
Der ETV setzt auf enge Kooperationen mit Einrichtungen wie Alsterarbeit, die Qualifizierung und Begleitung möglich machen. "Unser Bestreben ist es natürlich, den Arbeitskräften über das Budget für Arbeit die Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen."
Zudem beteiligt sich der Verein an inklusiven Initiativen und Fachveranstaltungen, tauscht Wissen mit anderen Organisationen aus und hat eine transparente Inklusionsstrategie entwickelt, die fest im Leitbild verankert ist.
Fazit: Inklusion ist gelebte Verantwortung – und ein Gewinn für alle
Die Beispiele des FC St. Pauli und des ETV zeigen eindrucksvoll: Inklusion im Sportgeschäft ist nicht nur möglich, sondern ein Gewinn auf allen Ebenen. Sie beginnt mit Haltung und führt zu konkreten Strukturen, Partnerschaften und gelebter Praxis.
Unternehmen können von diesen Ansätzen lernen: Wer Vielfalt ernst nimmt, stärkt nicht nur gesellschaftliche Verantwortung, sondern auch Teamgeist, Innovationskraft und Arbeitgeberattraktivität.